Ein in der Gruppenforschung vielfach diskutiertes Phänomen, das sich aus sozialen Interaktionen ergibt, ist der soziale Zusammenhalt einer Gruppe, die sogenannte soziale Kohäsion, Team- oder Gruppenkohäsion. Sie bezeichnet das Gemeinschafts- oder Zusammengehörigkeitsgefühl in einer soziale Gruppe, das “Wir-Gefühl” als emotionale Größe und Feld von Bindungen und Zusammenhalt zwischen den beteiligten Personen.
Hohe Gruppenkohäsion bewirkt idealerweise Teamgeist, dass einzelne Mitglieder ihre individuellen Bedürfnisse zu Gunsten eines Gruppenkontextes (Bewältigung einer Gruppenaufgabe, Erreichung eines gemeinsamen Zieles) zurückstellen. Bewusstes oder unbewusstes Nutzenkalkül spielt dabei trotzdem eine Rolle. Die Zugehörigkeit zur jeweiligen Gruppe muss für den Einzelnen Vorteile bieten, sein es nur, dass die Zugehörigkeit zu einer Gruppe einen bestimmen Selbstwert erhöht („Gruppenstolz“).
Niedere Teamkohäsion (Distanz) kann zwei psychologische Ursachen haben: Entweder kennen sich die Personen (noch) zu wenig, oder sie haben in vielen Bereichen keine mentale Übereinstimmung; ihr Weltbild, ihre Einstellung, ihr Wertgefüge, ihre Ansichten kollidieren in entscheidenden Bereichen. Beides führt dazu, dass wir vorsichtig sind, innerlich distanziert bleiben.
Bei der Einschätzung von Menschen unterliegen wir deshalb mehreren psychologischen Effekten. Solange wir noch wenig über eine Person „wissen“, besteht unser Bild über diesen Menschen aus Projektionen. Wir legen etwas in sie hinein, schreiben ihr ungeprüft Eigenschaften zu.
Projektionen aufgrund niederer Kohäsion:
- Halo-Effekt: Die „Überstrahlung“ eines einzelnen Merkmals über andere beobachtbare Merkmale an einer anderen Person.
- Primacy-Effekt: Er äußert sich darin, dass wir die erste Information, die wir in der Folge mehrerer Informationen erhalten, stärker bewerten. Sie beeinflusst alle folgenden.
- Rosenthal-Effekt: Er zeigt sich darin, das wir mit einem Etikett eine „selbsterfüllende Prophezeiung“ hervorrufen. Die Erwartungshaltungen wirkt sich auf die tatsächliche Leistung von Mitarbeitern aus.
Wir projizieren also immer aus Unkenntnis.
Hohe Kohäsion (Nähe) und Teamspirit fördern zwar die Kooperation, motivieren den Einzelnen und erhöhen damit die Leistungsfähigkeit des Teams. Starke Kohäsion kann aber auch Risiken bergen. Eine Studie der Lufthansa (7) zeigt: „Durch Abneigung oder Distanz werden 61% aller Incidents mit CRM-Defiziten ausgelöst. Auch Incidents, bei denen eine zu große Vertrautheit eine Rolle spielt, finden sich mit 15% in der Statistik. Hinzu kommen noch 26% der CRM-Probleme, die durch eine zu entspannte Atmosphäre verursacht werden.“ (1, 918)
Negative Effekte:
Groupthink: Gruppen neigen dann zu Fehleinschätzungen, wenn das Gemeinschaftsgefühl wichtiger wird als die kritische Überprüfung von Fakten. Dabei ordnet der Einzelne seine eigene, kritische Meinung dem scheinbaren Konsens der Teammehrheit unter. Nicht der eigene Sachverstand sondern die Gruppennorm dient als Orientierung für Entscheidungen. Motiviert ist dieses Verhalten durch den Wunsch, die Kohäsion zu erhalten. Die Konsequenz dieses Gruppendenkens ist eine stark ausgeprägte Form selektiver Wahrnehmung, die abweichende Meinungen ausgrenzt.
Eskalation of commitment (staw & ross): Sie bezeichnet die Neigung, an einem Ziel oder Motiv festzuhalten, je mehr Zeit, Arbeit, Energie bereits investiert wurde. Dieser Effekt ist umso größer, je weiter man in dem Projekt oder der Erfüllung einer Aufgabe vorangeschritten ist.
Konditionierte Sorglosigkeit: Mit einer hohen Gruppenkohäsion und dem Eindruck, als Gruppe stark zu sein, erhöht sich auch die Gefahr, sorglos zu werden, Verstöße gegen SOP zu tolerieren.
« Zurück zum Lexikon-Index