Psychologisches Konzept nach Tabi Kahler, basierend auf der Transaktionsanalyse von Eric Berne. Innere Antreiber sind mehr oder weniger bewusste Denkmuster, die Individuen zwar zum Handeln motivieren, in einer unbemerkten Verschärfung jedoch negative Auswirkungen haben und Stress verursachen. Die fünf mentalen Antreiber sind dem Mindset der meisten Menschen in Form von Imperativ-Sätzen eingeschrieben, jedoch individuell verschieden stark ausgeprägt.
Jeder der Antreiber hat positive Auswirkungen auf unser Denken und Handeln. Werden sie jedoch übertrieben angewendet, unreflektiert überzogen, dann können sie unser Verhalten und unsere Interaktionen mit der Umwelt schädlich beeinflussen. Ist ein Antreiber bei einer Person besonders stark aktiv, macht sie dies unfrei und mental unflexibel. Sie kann nicht mehr wählen, wie sie handelt, sondern wird von ihrem Antreiber dazu gezwungen.
Antreiber haben also nützliche wie kontraproduktive Effekte. Richtige austariert und situativ flexibel angewendet, können sie hilfreich sein. Je nach Persönlicheits-Typ und individuellen Lebenserfahrungen dominieren verschiedene Antreiber mehr oder weniger bei einem Individuum.
Antreiber | Typische Glaubenssätze | Stärken | negative Übertreibung |
Sei perfekt! | Ich arbeite gründlich. Bloß keine Fehler machen! Ich mag keine Schlamperei. | Stets 120% geben sorgfältig und präzise arbeiten immer weiter verbessern | Nimmt Vorschläge persönlich Schlecht mit Kritik, Fehlern umgehen Fühlt sich nie gut genug Kann die 5 nicht gerade sein lassen |
Streng dich an! | Erfolge muss man sich hart erarbeiten. Gib alles. Das kannst du noch besser. Ich schaffe es auch ohne Hilfe! | Setzt sich mit Durchhalte-Vermögen ein Setzt Dinge engagiert um Übernimmt Verantwortung | Schätzt keinen Erfolg ohne Schweiß Ist nie zufrieden mit Erreichtem Schließt Dinge nicht ab Verzettelt sich |
Sei stark! | Mich erschüttert nichts so leicht. Gefühle sind unprofessionell. Ich bewahre Haltung nach außen. | Dinge durchstehen Ruhe bewahren Selbstdisziplin | Fragt nicht um Hilfe Ist von den Gefühlen abgeschnitten Macht Dinge mit sich selbst aus |
Beeil dich! | Ich bin auf Trab. Man kann mehrere Dinge gleichzeitig tun. Ich bin der Motor, der Dinge voranbringt. | vieles in kurzer Zeit schaffen gutes Gefühl für Zeit Dinge voranbringen | Kann schlecht mit gutem Gefühl abschalten Ist immer gehetzt, hat wenig Geduld Macht in der Eile Flüchtigkeitsfehler |
Sei nett! | Nein sagen fällt mir schwer. Akzeptiert werden ist wichtiger als eigene Interessen durchzusetzen. Bloß kein Streit. Harmonie und Freundlichkeit sind wichtig. | sich selbst nicht so wichtig nehmen hohe Empathie Hilfsbereitschaft Ist sehr zugewandt | Sagt nicht Nein Vertritt keinen eigenen Standpunkt Geht Konflikten aus dem Weg Vernachlässigt eigene Bedürfnisse |
Gefahrenpotentiale
In Krisen- und Stresssituationen neigen wir besonders stark dazu, a) automatisiert Denk- und Handlungsmuster anzuwenden, die sich bewährt haben und b) inneren Antreiber unhinterfragt besonders viel Raum einzuräumen. Darin besteht die Gefahr! Der “Sei gefällig!” – Antreiber kann z.B. bewirken, dass ich trotz großer Zweifel eine Anordnung befolge, welche die Gefahrensituation potentiell verschärft. Mein Antreiber macht es mir jedoch unmöglich, zu intervenieren. Gleichermaßen kann der “Sei perfekt!” – Imperativ z.B. bewirken, dass wertvolle Zeit mit unnötigen Aktionen vergeudet wird, die in dieser Gefahrensituation wenig Relevanz besitzen. Arbeite ich aus Perfektionismus stumpf eine Notfall-Checkliste ab oder entscheide ich mich bewusst dagegen? Folge ich unreflektiert dem Denkmuster “beeil dich” oder fordere ich ein Team-Timeout ein, um die Situation von mehreren Seiten zu beleuchten? Jeder Weg kann der richtige sein, es hängt von der jeweilligen Situation ab. Mit der Kenntnis und Anwendung des Antreiber-Konzeptes wird der Handungs- und Entscheidungsprozess freier und reflektierter. Ein entscheidender Resilienz-Faktor für ein System.
Einsatz im Coaching
Im individuellen Human-Factors-Coaching kann man daran arbeiten, 1. diese Denkmuster und Glaubenssätze bewusst zu machen, um sie 2. gemeinsam mit dem Klienten zu relativieren, ihre positiven Effekte zwar erhält, die negativen jedoch abmildert. Das verschafft dem Klienten mehr mentale Freiheit und Handlungsspielraum. Der Effekt ist nicht, dass die Handlungs- bzw. Verhaltensweisen des Klienten weniger “gefällig”, “stark”, “perfekt”… wären, sondern er sie optimaler auf die gegebene Situation anpassen kann. Personen, die bewusst mit dem Konzept der Inneren Antreiber arbeiten, haben mehr mentale Freiheit und gehen reflektierter vor.
⇢ Perfektionismus ⇢ Resilienz
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