Eine Funktion ist eine zeitlich begrenzte Rolle mit eindeutig definiertem Aufgabenfeld. Sie ist von einem Rang in der Hierarchie zu differenzieren. Ränge sind konstitutionell, Funktionen sind operativ; beinhalten eine konkrete Liste definierter Aufgaben. In der Hierarchie eines Systems kann eine Funktion nur einmalig einer einzigen Person zugeordnet werden. Eine Person kann jedoch durchaus mehrere Funktionen übernehmen. Jede Position kann also ggf. „mehrere Hüte aufhaben“, mehrere Funktionen ausüben.
Im modernen Bridge Team Management lassen sich verschiedene Funktionen finden, deren Definition sich in den letzten Jahren etabliert hat. Dieses System orientiert sich an Erfahrungen aus der Luftfahrt: In Flugzeugen gibt es einen “Pilot Flying” sowie einen “Pilot Monitoring”. Der Flugkapitän und sein 1. Officer wechseln sich darin auf jedem Flug ab. Diese Grundidee wurde auf die Schifffahrt übertragen und bedeutet die Einführung einer funktionsorientierten Brückenorganisation, mit der sich die auf den Kapitän orientierte Brückenorganisation hin zu einer teamorientierten Aufstellung wandelt.
Die verschiedenen Funktionen der teamorientierten Aufstellung lassen sich auf verschiedene Formen der Brückenbesetzung, mit mehr oder weniger Personen, übertragen. Sie sind also nicht abhängig von einer bestimmten Mannschaftsstärke. Folgende Funktionen können definiert werden:
Navigator | hat CONN, führt das Schiff navigatorisch |
Co-Navigator | unterstützt und hinterfragt ggf. den Navigator, übernimmt weitere Aufgaben neben der Navigation |
Supervisor | ist in Charge, unterstützt und hinterfragt Navigator wie Co-Navigator, übernimmt ggf. das Workload Management |
Administrator | kommt in Situationen mit hoher Workload zum Einsatz, übernimmt das Führen des bell books |
Pilot | Der Lotse wird als Berater in das Team integriert, oder kann das CONN übernehmen |
Helmsman | Crewmitglied “at the wheel” |
Outlook | supportet die Brückencrew und erhöht damit die situative Aufmerksamkeit des Systems |
Diese operativen Funktionen werden den Positionen situationsorientiert zugeordnet. Hierbei spielen Erfahrung und Können selbstverständlich eine Rolle. Die Rolle des Kapitäns als Operation Director wird dabei eher zu der eines Coaches, der die Operation sowie das Brückenteam beobachtet, führt, ggf. hinterfragt und lediglich bei Bedarf in das konkrete Handling bzw. die Aufgabenverteilung eingreift.
Diese Form der Brückenführung hat einen großen Vorteil. Das System hat ein “neutrales” Korrektiv, eine Person, die AUF das System blickt und nicht IM System agiert. Die Erfahrung aus dem systemischen Coaching zeigt, dass ein neutraler Blick von außen eine erhebliche Sicherung darstellt. Mit einer weiteren Perspektive kommen auch zusätzliche Handlungsoptionen in den Blick; ganz besonders in zeitkritischen Situationen.
Für einige Kapitäne ist diese neue Rolle ein Paradigmenwechsel und stellt sie vor die Herausforderung, zurückzutreten, das Team und den Nachwuchs stärker „ans Ruder“ zu lassen. Die Unterscheidung zwischen operationaler Funktion und konstitutionellem Rang bedeutet jedoch nicht, dass der Kapitän die Verantwortung abgibt, sondern nur die Operation. Nach wie vor bleibt grundsätzlich in COMMAND, kann auch jederzeit CHARGE und CONN übernehmen. Er gibt nicht grundsätzlichen Einfluss ab, sondern übereignet nur temporär operative Entscheidungsgewalt. Der dahinterstehende Grundgedanke stellt also keine hierarchische „Entmachtung“ des Kapitäns dar, sondern nur eine operationale Sicherheitsbarriere zur Erhöhung der Redundanz wie auch der Resilienz. Letzteres resultiert vor allem durch die Draufsicht auf das System, das dadurch immer noch ein Korrektiv hat.
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