Der Safety-1-Ansatz und der Safety-2-Ansatz sind zwei unterschiedliche Denkweisen im Bereich des Sicherheitsmanagements, insbesondere im Kontext von Hochrisikoindustrien wie Luftfahrt, Gesundheitswesen, Energie und anderen komplexen Systemen. Diese Ansätze zielen darauf ab, Sicherheitsprobleme zu verstehen, zu analysieren und zu verbessern, aber sie haben unterschiedliche Herangehensweisen und Schwerpunkte.
- Safety-1-Ansatz:
Der Safety-1-Ansatz, auch bekannt als “traditioneller” oder “fehlerorientierter” Ansatz, konzentriert sich darauf, Fehler und Abweichungen zu identifizieren, zu verhindern und zu minimieren, um ein akzeptables Sicherheitsniveau aufrechtzuerhalten. Hier sind einige Merkmale dieses Ansatzes:
- Fehlervermeidung: Das Hauptziel besteht darin, menschliche Fehler, technische Probleme und organisatorische Schwächen zu minimieren oder zu beseitigen, um Unfälle und Zwischenfälle zu verhindern.
- Reaktivität: Dieser Ansatz betont die Reaktion auf bereits aufgetretene Sicherheitsvorfälle. Untersuchungen werden durchgeführt, um die Ursachen zu ermitteln und Empfehlungen zur Vermeidung ähnlicher Vorfälle in der Zukunft abzuleiten.
- Hierarchische Strukturen: Traditionelle Organisationsstrukturen mit klaren Hierarchien und Verantwortlichkeiten sind typisch für den Safety-1-Ansatz.
- Safety-2-Ansatz:
Der Safety-2-Ansatz, auch bekannt als “resilienzorientierter” Ansatz, unterscheidet sich grundlegend vom Safety-1-Ansatz. Er betont die Bedeutung der Anpassungsfähigkeit, der Fähigkeit zur Bewältigung von Komplexität und der Fähigkeit, mit unerwarteten Situationen umzugehen. Hier sind einige Merkmale dieses Ansatzes:
- Fokus auf erfolgreiche Performance: Statt nur auf Fehler zu reagieren, konzentriert sich der Safety-2-Ansatz darauf, wie Systeme erfolgreich funktionieren und wie sie sich an verschiedene Bedingungen anpassen.
- Proaktive Ansätze: Anstatt sich ausschließlich auf die Fehlervermeidung zu konzentrieren, betont dieser Ansatz die Förderung von Adaptivität, Flexibilität und Innovation, um sicherzustellen, dass ein System auch unter widrigen Bedingungen funktionieren kann.
- Dezentrale Entscheidungsfindung: Hierarchische Strukturen werden weniger betont. Stattdessen wird angestrebt, Entscheidungsbefugnisse und Flexibilität auf mehrere Ebenen der Organisation zu verteilen.
Insgesamt zielt der Safety-2-Ansatz darauf ab, eine umfassendere und ganzheitlichere Sichtweise auf Sicherheit zu entwickeln, die nicht nur auf Fehlerreaktion, sondern auch auf erfolgreiche Anpassungsfähigkeit und Leistungsfähigkeit abzielt. Die Wahl zwischen diesen Ansätzen hängt oft von der Natur der Organisation, dem spezifischen Kontext und den Zielen des Sicherheitsmanagements ab.
Gegenüberstellung der verschiedenen Haltungen
Safety-1 | Safety-2 | |
Grundüberzeugung | Fehler & Abweichungen sind grundsätzlich vermeidbar | Fehler & Abweichungen sind in jedem System grundsätzlich vorhanden |
wichtigste Komponenten | Flexibilität in Denken & Verhalten ist ein Risiko Mensch ist ein systemisches Sicherheitsrisiko Verhaltensvariabilität ist etwas Schädliches, muss unterdrückt werden Negative Psychologie: Fokus auf Defizite | Flexibilität in Denken & Verhalten ist Ressource Mensch ist Resilienzfaktor für Systemsicherheit Verhaltensvariabilität ist unvermeidbar, zudem eine nützliche Ressource positive Psychologie: Fokus auf Ressourcen |
Daraus resultierendes Verhalten | Flexibles Verhalten & Mitdenken vermeiden Organisation: Fehler (restriktiv) bestrafen Einzelner: Fehler verstecken, Verantwortung wegschieben | Flexibles Verhalten & Mitdenken fördern Organisation: Fehler konstruktiv nutzen für organische Systementwicklung, Lob fürs Teilen von Fehlern Einzelner: Fehler offenlegen, Verantwortung ergreifen |